Der Wahn ist kurz. Die Reu ist lang.
Das politische Superleichtgewicht Kurz, welches nie ein Programm mit inhaltlicher Tiefe hatte, sondern nur durch Inszenierung aufgefallen ist, ist weg. Er zieht sich vorgeblich wegen seines Sohnes zurück – jetzt muss auch noch das arme Kind für sein Versagen herhalten. Zitat der Süddeutschen Zeitung: „Kleiner Geist, großes Ego“. In Deutschland spielt die Militärmusik scheidenden Bundeskanzlern auf Wunsch Musikstücke. Was hätte Kurz gewählt? „Tango Korrupti“ (es gilt die Unschuldsvermutung)?
Mit Kurz ging auch das „System Kurz“ unter, nein, es kollabierte. In der Parteizentrale ist jetzt die neue Hymne „Paint it Black“ angesagt, die ÖVP tauscht in Zeiten der Pandemie wieder den Kanzler und dazu ein paar Minister aus. Der Grund, über den selbst Beteiligte offen reden, hat so gut wie ausschließlich mit Parteipolitik und Macht zu tun. Der Bundespräsident richtete der ÖVP bei der Angelobung aus, dass es bei der Regierungsumbildung um die Besetzung der höchsten Staatsämter gehe und
nicht um Parteilogiken – das war eine „diplomatische Watschen“ (Krone, 7.12.2021)! Scheinbar macht sich in diesem Bereich niemand Gedanken über die moralische Verantwortung und Vorbildwirkung der Politik und ihrer Vertreter. Ist das noch tragisch oder schon die Farce?
Werte Kolleginnen und Kollegen!
Mit dem Abgang von Kurz ist auch Karl Nehammer als Innenminister Geschichte, der Parteisoldat und „General“ wird Bundeskanzler. Einer von jenen, die erst vor kurzem mit ihrer Unterschrift erklärt haben, ohne Sebastian Kurz keinen Tag länger Minister sein zu wollen. Glaubwürdig? Nehammer verblieb nicht nur im Amt, sondern hat Kurz indirekt gleich auch als Kanzler beerbt. Die Krone schreibt: „Kein Strahlemann, kein Wunderwuzzi, kein Überflieger“. Andere politische Beobachter bezeichnen ihn als „Verlegenheitskanzler“. Auf die Frage, ob Nehammer der Richtige für den Job ist, antworten beim Krone-Voting (57.500 Teilnehmer) 68% mit „NEIN“, Vorschusslorbeeren schauen anders aus. Aber, war es anders zu erwarten? Er ist CV-Mitglied und trägt den Couleurnamen „Mars“ (römischer Kriegsgott), das erklärt auch einiges. Auch von ihm werden Ankündigungen und Inszenierungen im Gedächtnis bleiben, mehr leider nicht. Seine fast täglichen Auftritte in den Boulevard-Medien mit hohlen Phrasen zu allem und auch nichts waren schon fast legendär („Dagegen werden wir mit aller Härte auftreten“ udgl. mehr). Ich hätte mir für euch gewünscht, dass sich der Ex-Innenminister für euch in die Bresche geworfen hätte, um die Defizite im Besoldungs- sowie Dienstrecht und Pensionsgesetz zu beseitigen, die sich vor allem auch in den letzten Monaten der Pandemie aufgetan haben. Hier hätte er rasch Klarheit schaffen müssen. Anlassgesetzgebung ist nicht immer gut, wäre in diesem Fall aber unbedingt notwendig gewesen. Schon vor über einem Jahr hat die Bundesregierung Belohnungen angekündigt – ihr wartet immer noch! Den Zurufen aus der Kollegenschaft entnehme ich, dass es Nehammer gelungen ist, „sogar die zu enttäuschen, die rein gar nichts von ihm erwartet haben“. Wir, die FSG/Klub der Exekutive, haben in der Polizeigewerkschaft umfassende Anträge dazu eingebracht und darüber in Aussendungen auch informiert. Wie heißt es so schön und richtig: „Personalvertretung und Gewerkschaft machen keine Probleme, sie sorgen dafür, dass es keine gibt“! Es darf nicht dazu kommen, dass die Problematik „ausgesessen“ und darauf gehofft wird, dass sich diese „leidigen Themen“ von selbst erledigen bzw. in Vergessenheit geraten – Nehammer hat das jetzt einmal „ausgesessen“, aber vielleicht hat er ja als Kanzler doch noch die große Chance, in eurem Interesse wirkliche Verbesserungen durchzusetzen! Laut eigener Aussage ist ja „Der richtige Nehammer der Lernende“. Denn, wieviel Wertschätzung habt ihr von ihm für euch und eure Leistungen bis jetzt erfahren? Ich bin mir sicher, dass euch die zahlreichen Ministerbriefe (und auch sein „Abschiedsbrief“ vom 6.12.2021) und das virtuelle Schulterklopfen nicht zufriedengestellt haben – mehr als verständlich!
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Der „neue“ Mann im Innenministerium ist Gerhard Karner. Er diente unter Ernst Strasser von 2000 – 2003 als dessen Pressesprecher. Da werden böse Erinnerungen wach – aber nein, sehen wir das als Jugendsünde. Dies umso mehr, weil der als Hardliner bezeichnete Karner laut Medienberichten zwischenzeitlich auch zum Brückenbauer geworden ist. Dompfarrer Toni Faber hat den Advent als „Zeit der Hoffnung auf eine Wende zum Besseren“ erwähnt, glauben wir daran, dass das an einem Mann mit „christlich-sozialen Wurzeln“, der sich zur christlichen Soziallehre bekennt, nicht spurlos vorübergehen kann. In seinem ersten Mitarbeiterbrief spricht er euch einmal schon vorab Dank und Respekt aus, gleichzeitig kündigt er an, den eingeschlagenen Weg des BMI konsequent weiterzugehen. Politisch meinetwegen, das Personal, also euch betreffend, hoffentlich nicht! Wir als FSG/Klub der Exekutive und ich strecken die Hand zum Gespräch und Dialog aus. So wie all seine Vorgänger erhielt auch BM Karner ein Glückwunschschreiben zur Amtsübernahme mit dem Ersuchen um einen Antrittsbesuch für einen ersten informellen Gedankenaustausch. Schauen wir, wie die Reaktion ausfällt, seine Vorgänger sind darauf NICHT eingegangen! In diesem Sinne wünsche ich euch und euren Lieben trotz aller widriger Umstände ein frohes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und nur das Beste für das Jahr 2022, denkt positiv und bleibt weiter negativ!
Hermann Greylinger
Vors.-Stv. der Polizeigewerkschaft