Die Diskussion um die Sozialpartnerschaft
„Zwischen Regierung und Sozialpartnern fliegen schon die Fetzen“, so die Schlagzeile im Kurier vom 30. Mai 2016. Anlass war ein Interview vom Vortag, in dem Vizekanzler Reinhold Mitterlehner mit den Sozialpartnern hart ins Gericht ging und ihnen unter anderem „Reformunwilligkeit“ vorwarf. Für Zündstoff war also gesorgt, die Medien legten nach und die entsprechenden Reaktionen der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer und des ÖGB ließen nicht lange auf sich warten. Pikant an der Sache ist ja auch, dass gerade Mitterlehners politische Karriere ihren Anfang bei der Sozialpartnerschaft, nämlich Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer, genommen hat.
Werte Kolleginnen und Kollegen!
Was waren die Hauptkritikpunkte des Vizekanzlers? „Die Sozialpartner müssten sich komplett ändern. Ich empfehle ihnen eine Umorientierung auf das, was Österreich braucht, und nicht, was die jeweilige Gruppe gerade braucht“, befand Mitterlehner. Sie müssten „die Interessen des Standortes und die internationale Ebene in den Fokus rücken, nicht nur das, was sie der eigenen Klientel gerade günstig verkaufen können“. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (Parteifreund) missfielen Mitterlehners Äußerungen: „Es geht nicht an, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wenn sich wer ändern muss, dann die Regierung. Sie soll bei sich beginnen, und nicht bei denen, die dafür gesorgt haben, dass dieses Land noch immer so gut dasteht“. Arbeiterkammer-Chef Rudolf Kaske empörte sich über die Aussagen des Vizekanzlers: „Wir sind Teil der Lösung, nicht des Problems und sprach von untergriffiger Argumentation. Statt die Sozialpartnerschaft schlecht zu reden, sollte der Herr Vizekanzler endlich Lösungskompetenz zeigen“. Die ÖGB-Vizepräsidentin Renate Anderl erklärte: „Die Aufforderung zur Umorientierung der Sozialpartner entbehrt jeder Grundlage. Gerade in schwierigen Zeiten sollte das Gespräch mit der Sozialpartnerschaft gesucht werden, um rasch gemeinsam etwas weiterzubringen. An der Sozialpartnerschaft sind gute Lösungen für Österreich noch nie gescheitert.
Unterstützung für die Sozialpartner
Das (österreichische) Modell der Sozialpartnerschaft ist ein Erfolgsmodell, welches auch im Ausland Anerkennung findet. „Die Sozialpartnerschaft ist die Stärke Österreichs“, so der Generalsekretär des Gewerkschaft-Weltverbandes Uni Global Union, Philip Jennings. „Die Stärke liegt darin, weil Konflikte zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern effizient gelöst werden. Alle Länder, die die Krise gut gemeistert haben, haben gute soziale Institutionen, dazu gehört Österreich. Gewerkschaften und Unternehmen sind daran gewöhnt, miteinander zu sprechen, das ist ein großer Vorteil im Vergleich zu andern Ländern, so Jennings weiter.
Wiens Bürgermeister Michael Häupl kann die Kritik an der Sozialpartnerschaft nicht verstehen: „Diese sei ein toller Bestandteil der österreichischen Realpolitik und habe sich sicher nicht überholt“, schwärmte Häupl. Auch Ministerin Sabine Oberhauser und BM Alois Stöger teilen die Kritik nicht, sie sehen die Sozialpartnerschaft als wichtiges Instrument, um Kompromisse in der Gesellschaft tragfähig zu machen. In die Debatte eingebracht hat sich auch der Präsident der Industrieellenvereinigung, Georg Kapsch, mit der Aussage, dass sich die Sozialpartnerschaft überlebt habe. Darauf reagierte Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm scharf: „Die Industrie bekommt einfach den Hals nicht voll. Ohne Sozialpartner bekommt man tatsächlich eine andere Politik“. Für die Arbeiterkammer ist insbesondere die gesamtwirtschaftliche Orientierung der Sozialpartner, die ihren zentralen Ausdruck in der Lohnpolitik hat, schützenswert. Muhm ärgert sich generell: „Die Industrie neigt zu einer sehr einseitigen Sicht der Dinge und bekommt einfach den Hals nicht voll. Als Beleg für die harte Aussage führt er die Lohnnebenkostensenkung um eine Milliarde Euro und die Erhöhung der Forschungsprämie an, die ganz einfach eingesteckt wurde und darüber nicht mehr geredet wird“. Lächerlich sieht Muhm die Aussage der Arbeitgeberseite, dass es eben nichts mehr zu verteilen gebe: „Für 2015 haben die heimischen Großunternehmen drei Milliarden Euro an Dividenden ausgeschüttet. Und die Eigenkapitalrendite der 1500 größten Betreibe sei – mit Ausnahme von 2008 – stets bei komfortablen 12 und 14 Prozent gelegen“, so Muhm.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Gewerkschaften waren immer und sind auch in Zukunft die Antwort auf Missstände in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt. Wir nehmen das ernst und werden es nicht zulassen, dass die Politik den Weg des Miteinanders verlässt. Wir stehen weiter für Gerechtigkeit und sozialen Frieden, wir werden weiter im Sinne unserer Kollegenschaft unsere laute Stimme erheben und dafür kämpfen! In diesem Sinne wünsche ich einen erholsamen Sommer, genießt die freien Tage und kommt alle wieder gesund zurück, herzlichst, euer

Hermann Greylinger
Vors.-Stv. der Polizeigewerkschaft